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Erblich belastet
Von meinem Ahn geht um die Kunde,
Er sei in mitternächt`ger Stunde
Oft in den Wald hinausgegangen,
Um allerlei Getier zu fangen.
Auch sonst noch hört` ich manchen munkeln,
Daß man ihn öfters hab im Dunkeln
So seltsam schleichend wandeln sehen,
Wie wenn er Böses wollt`begehen.
Ob an den alten Dorfgeschichten,
Die solches wissen zu berichten,
Wohl etwas Wahres ist gewesen,
Konnt` ich in keiner Chronik lesen.
Doch weiß ich: was sie von ihm sagen,
Ist erblich auf mich übertragen;
Ich kann`s nicht leugnen, nicht verhehlen -
Ich muß - nachtwandeln und auch - stehlen.
Wenn alles längst zur Ruh gegangen,
Dann treibt mich oft ein heiß` Verlangen,
Von meinem Lager aufzustehen
Und still durchs stille Dorf zu gehen.
Und in den mondbeglänzten Gassen
Kann ich das Stehlen nimmer lassen!
Ich seh da dies und jenes liegen,
Hör manches, was der Tag verschwiegen;
Es dringen leis in meine Ohren
Die Seufzer, da und dort verloren;
Ich seh vor mir manch heimlich Sehnen
Und viele heißgeweinte Tränen;
Und still nach Haus trag ich im Herzen
All diese Seufzer, Tränen, Schmerzen,
Und träume dann in meiner Kammer
Von all dem fremden Leid und Jammer.
Ich fühle: Was der Ahn getrieben,
Das muß auch ich, sein Enkel üben;
Das Wort in mir nicht ruht und rastet,
Daß ich bin erblich schwer belastet.
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