Meine Göttin
Welcher Unsterblichen
Soll der höchste Preis sein?
Mit niemand streit‘ ich;
Aber ich geb‘ ihn
Der ewig beweglichen,
Immer neuen,
Seltsamen Tochter Jovis,
Seinem Schoßkinde,
Der Phantasie.
Denn ihr hat er
Alle Launen,
Die er sonst nur allein
Sich vorbehält,
Zugestanden,
Und hat seine Freude
An der Thörin.
Sie mag rosenbekränzt
Mit dem Lilienstängel
Blumentäler betreten,
Sommervögeln gebieten,
Und leicht nährenden Tau
Mit Bienenlippen
Von Blüten saugen;
Oder sie mag
Mit fliegendem Haar
Und düsterm Blicke
Im Winde sausen
Um Felsenwände
Und tausendfarbig,
Wie Morgen und Abend,
Immer wechselnd
Wie Mondesblicke,
Den Sterblichen scheinen.
Lasst uns alle
Den Vater preisen!
Den alten, hohen,
Der solch eine schöne,
Unverwelkliche Gattin
Dem sterblichen Menschen
Gesellen mögen!
Denn uns allein
Hat er sie verbunden
Mit Himmelsband,
Und ihr geboten,
In Freud‘ und Elend
Als treue Gattin
Nicht zu entweichen.
Alle die andern
Armen Geschlechter
Der kinderreichen
Lebendigen Erde
Wandeln und weiden
In dunklem Genuss
Und trüben Schmerzen
Des augenblicklichen
Beschränkten Lebens,
Gebeugt vom Joche
Der Notdurft.
Uns aber hat er
Seine gewandteste,
Verzärtelte Tochter,
Freut euch! Gegönnt.
Begegnet ihr lieblich
Wie einer Geliebten!
Laßt ihr die Würde
Der Frauen im Haus!
Und daß die alte
Schwiegermutter Weisheit
Das zarte Seelchen
Ja nicht beleid‘ge!
Doch kenn‘ ich ihre Schwester,
Die ältere, gesetztere,
Meine stille Freundin;
O das die erst
Mit dem Lichte des Lebens
Sich von mir wende,
Die edle Treiberin,
Trösterin, Hoffnung!
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