Die heilige Woche
von Frau Prinzessin Ernst von Arenberg, geb. Prinzessin Sophie von Auersberg
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Die heilige Woche
Ergreifend heut‘ die heil‘gen Glocken schweigen;
Damit beginnt der Schmerzenswoche Trauer,
In Demut alle Christen tief sich beugen,
Durchbebt ist jede Brust von Andachtsschauer.
Wie warmes Licht strahlt es durch alle Seelen,
Frei schwingt sich unser Geist zu Gott empor,
Wie leicht wird‘s da, das wahre Ziel zu wählen
Für den sogar, der seinen Weg verlor!
In diesen großen, heil‘gen Schmerzenstagen,
In diesen weihevollen, ernsten Stunden
Kann nie ein Christ in Leiden ganz verzagen,
Da ist des Teufels Lockung überwunden.
Die Kranken in dem enggeschloss‘nem Zimmerraume,
Gefangene in düst‘rer Kerkerluft
Befreiet fühlen ihren Geist aus schwerem Traume,
Voll Inbrunst jeder Christ zum Schöpfer ruft.
In solchen Tagen ist es leicht zu beten;
Obgleich der Zeitraum ist zweitausend Jahr‘,
Scheint uns, als könnten vor das Kreuz wir treten,
Sowie der ersten Christen fromme Schar.
Wiewohl zu leiden jedem Menschen ist beschieden,
Ist nicht das Maß der Leiden jedem gleich,
Doch fühlet jeder in der Trauerwoche Frieden,
Daß alles Leiden führt zum Himmelreich.
Im Angesicht des heil‘gen Kreuzes schwindet,
Was uns so schwer oft zu ertragen ist,
Selbst jener, welcher jammervoll erblindet,
Nennt heute sich mit Stolz und Dank ein Christ.
Vom heil‘gen Haupt die blut‘gen Tropfen fallen,
Als gold‘ner Ernte wundervolle Saat,
Erwirken Heil und Rettung allen, allen,
Weil Gott für alle sie vergossen hat.
Gefesselt sind von Leiden mir die Glieder,
Entschwunden ist die Kraft aus meiner Brust,
Doch meine Seele singet fromme Lieder,
Im Zagen selbst bin ich mir Sieg‘s bewusst.
Für Augenblicke kann ich wohl es denken,
Wie herrlich wird Erlösung einstens sein,
Zum Ziele kann der Kampf allein uns lenken,
Drum will dem Kampf die letzte Kraft ich weih‘n;
Denn auch für mich der Heiland hat vergossen
Am Kreuz sein Blut in ungemess‘ner Qual,
Auch mir hat er des Himmels Tor erschlossen,
Lies zwischen ew‘gem Glück und leid die Wahl.
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